Vier ERC Grants im Juli genehmigt

Einer davon ging an Georg Schiemer vom Institut für Philosophie. Wir gratulieren sehr herzlich!

Mit dem Programm des Europäischen Forschungsrats (European Research Council, ERC) soll grundlagenorientierte Pionierforschung mit hohem Innovationspotenzial ermöglicht und vorangetrieben werden. Insgesamt gingen damit bisher 102 ERC Grants an die Universität Wien. Ein neuer österreichischer Rekord.


"Wir freuen uns über jeden eingeworbenen Grant", so Rektor Heinz W. Engl. "Die '100er Schallmauer' zu durchbrechen ist dennoch eine besondere Freude. Vor 11 Jahren, zum Beginn meiner Amtszeit, standen wir bei insgesamt 14 Grants." Die sehr kompetitiven ERC Grants sind ein wichtiger Indikator für die internationale Wettbewerbsfähigkeit der Universität Wien. Durch sie wird hochkarätige Forschung in unterschiedlichsten Disziplinen ermöglicht.

Wie die Wende zum formalistischen Denken passierte

Die Entwicklung der Logik, der Grundlagen der Mathematik sowie der Wissenschaftstheorie in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts ist geprägt durch einen weitreichenden "formal turn". Dieser Wandel zeichnet sich in erster Linie aus durch einen geteilten Fokus auf formale Methoden sowie eine generelle, formalistische Auffassung dieser Disziplinen: So wurden beispielsweise unterschiedliche Theorien der Logik und Mathematik zu dieser Zeit erstmals als rein formale Systeme aufgefasst, die in strenger Abstraktion von Fragen des Inhalts, der semantischen Interpretation oder Bedeutung untersucht wurden. Der neu entstandene Formalismus ist darüber hinaus nicht nur aus historischer Perspektive relevant, sondern hat unser zeitgenössisches Verständnis dieser Wissenschaftsfelder maßgeblich geprägt. In seinem ERC-gefördertem Forschungsprojekt wird der Philosoph Georg Schiemer eine erste interdisziplinäre und vergleichende Untersuchung der Wende zum formalistischen Denken im frühen 20. Jahrhundert durchführen. Der inhaltliche Schwerpunkt des Projekts wird dabei insbesondere auf der Philosophie des Logischen Empirismus, dem zeitgleich verlaufenden Grundlagenstreit in der Mathematik sowie auf Beiträgen zur mathematischen Logik zwischen 1900 und 1940 liegen. Das Projekt "The Formal Turn - The Emergence of Formalism in Twentieth-Century Thought" wird durch einen ERC Consolidator Grant gefördert, der mit knapp 2 Mio. Euro dotiert ist.

Über Georg Schiemer

Georg Schiemer ist seit 2022 Professor für Formale Philosophie am Institut für Philosophie und ab Herbst 2022 Vorstand des Instituts Wiener Kreis an der Universität Wien. Nach Diplomstudien der Handelswissenschaften an der WU Wien und der Philosophie promovierte er 2010 in Philosophie an der Universität Wien. Schiemer war von 2011 bis 2013 (sowie von 2015 bis 2017) als Postdoktorand am Munich Center for Mathematical Philosophy an der LMU München tätig. Weitere Forschungsaufenthalte führten ihn an die Stanford University sowie an die University of Chicago. Im Jahr 2021 war er Gastprofessor an der Université Paris 1-Panthéon Sorbonne. Von 2017 bis 2022 leitete Schiemer das ERC Starting Grant Projekt "The Roots of Mathematical Structuralism" and der Universität Wien. In seiner Forschung beschäftigt er sich vorwiegend mit der Philosophie und Geschichte der Mathematik und modernen Logik, mit der Geschichte der analytischen Philosophie sowie mit formaler Wissenschaftstheorie.